Gesunde Bauchmuskeln

September 25, 2021

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Vergiss das Six-Pack!


Was es wirklich bedeutet gesunde Bauchmuskeln zu haben.

Wie definierst Du gesunde Bauchmuskeln? Ein Tipp: Denke an stark, nicht an hart. Bist Du schon einmal morgens vor dem Spiegel gestanden, mit eingezogenem Bauch und hast Dir gedacht: “Warum kann ich so nicht den ganzen Tag aussehen?” Falls Du nicht auf einer einsamen Insel ohne Spiegel, Social Media und Hochglanz-Magazinen lebst, wahrscheinlich schon.
Heutzutage wird uns überall suggeriert, dass harte, sichtbare Six-Pack-Bauchmuskeln der Inbegriff von Gesundheit und Fitness sind. Steinharte Bauchmuskeln verkaufen Männern wie Frauen alles: über Autos, Ernährungsprodukte bis hin zu zwielichtigen Zertifikaten.

Wenn Du nach diesem Waschbrett-Look strebst oder davon träumst, überlege auch, was Du dafür aufgibst: Ein Waschbrett-Bauch kann Dich Flexibilität kosten und Deinen Bewegungsradius einschränken. Übertriebene Bauchmuskelübungen (Crunches + Plankchallenges) können dazu führen, dass sich die Lendenwirbelsäule abflacht und damit Deine ganze Wirbelsäulenstruktur schwächt.

Die gesellschaftliche Obsession mit den flachen, harten Bäuchen hat durchaus auch psychologische Auswirkungen: Wir ziehen den Bauch ein, spannen ihn an, halten dazu die Luft an nur um “durch den Tag zu kommen” oder “stark zu bleiben”. Das ist zwar übertrieben ausgedrückt, aber achte ruhig mal einen ganzen Tag lang darauf, wann Du den Bauch einmal nicht einziehst. Du wirst überrascht sein.
Softe Bäuche suggerieren Schwäche, harte “gerippte” Bäuche suggerieren Stärke. Aus dem militärischen Bereich kommt der heute alltägliche – gut gemeinte – Haltungsspruch: Brust raus, Bauch rein! So richten sich Soldaten auf, wirken unverwundbar, stark und unabhängig. Soweit so gut, aber eine Komponente fehlt: Soldaten führen Befehle aus ohne Rücksicht auf das eigene Empfinden geschweige denn die eigene Intuition. Im Yoga wird – trotz aller Krieger / Warrior – davon ausgegangen, dass in unserer Mitte unsere Intuition liegt. Also irgendwo unter den harten inflexiblen Bauchmuskeln. 

Da kann es schon mal schwerfallen die Intuition, das “Bauchgefühl” zu spüren, wenn ein sprichwörtlich hart trainiertes Muskelgeflecht dieses Gefühl nicht durchlässt.

Achte einen Tag darauf, wie oft Du den Bauch nicht einziehst.

Deine Bauchdecke wirklich entspannt ist,

Der Nutzen einer gesunden Bauchmuskulatur

In unserer Gesellschaft, die sich so auf den minimalsten Bauch konzentriert, vergessen wir wozu dieser Körperbereich wirklich notwendig ist:
Bauchmuskeln assistieren der Atmung, richten das Becken aus, rotieren die Wirbelsäule, halten den Oberkörper aufrecht, unterstützen die Lendenwirbelsäule und halten die Verdauungsorgane in Position.

So gesehen haben die Fitnessbegeisterten Recht: Starke, geformte Bauchmuskeln in der Mitte Deines Körpers unterstützen eine gute Gesundheit.  Das heisst aber nicht, dass wir im Umkehrschluss einen dauerhaften Bauchmuskelkrampf generieren sollten, den Atem anhalten und wie Soldaten Haltung annehmen sollten.

Long story short: Als Forrest Yogi weisst Du schon, dass permanent zu feste, verkürzte Bauchmuskeln genauso sinnvoll sind wie permanent überarbeitete, verkürzte Hamstrings (Oberschenkelrückseiten): nämlich gar nicht sinnvoll. Gerade Forrest Yoga kann Dir sehr gut helfen eine perfekte Balance zwischen Bauchmuskelstärke, -geschmeidigkeit, -entspannung und -bewusstsein herzustellen.

Die Anatomie Deiner Körpermitte

Ein bisschen anatomisches Grundwissen über den Bauchbereich hilft besser zu verstehen, was man da warum trainiert. Also nehmen wir uns diesen Bereich Schicht für Schicht vor.

Schon die Haut im Bauchbereich unterscheidet sich stark von der Haut des restlichen Körpers: Diese Haut verfügt über eine subkutane Schicht, die mehr als jede andere Fett einlagern kann. Diese absolut fettfreien, sichtbaren Bauchmuskeln, die Du aus der Werbung kennst, sind für gerade mal 10 % der Bevölkerung möglich. Die Haut dort muss wirklich dünn sein und das ist genetisch bedingt. Haben sich diese Fettzellen um Deinen Torso herum entwickelt, sind sie da. Sie verschwinden nicht mehr. Du kannst sie durch Hungern ausdünnen. Aber sie werden immer da sein und nur darauf warten, dass sie gefüttert werden. Zuviel Bauchfett ist ungesund, keine Frage. Aber zuviel Training der Bauchmuskeln und/oder Hungern um Fett zu eliminieren kann ebenso zu großen Problemen führen: Hormonelle Imbalancen, Knochenschwäche und Knochenbrüche. Ein paar Millimeter Fett um die Knochen herum sind ein sinnvoller Schutz. 

Direkt unter der Haut strecken sich vom Schambein hoch zum Brustbein zwei je “vierteilige” starke und recht dicke Muskelstränge: Der Rectus Abdominus, das Sixpack (eigentlich Eight-Pack). Je seitlich daneben liegt der dünne aber sehr kraftvolle Externe Oblique, der jeweils von den oberen Rippen nach unten zum Rectus Abdominus verläuft. Von vorne betrachtet bilden beide Obliques ein “V”. 

Direkt unter den externen Obliques  liegen die Internen Obliques. Dieses Muskelpaar aus internen und externen Obliques arbeitet zusammen, wenn es darum geht den Oberkörper zu rotieren bzw. zur Seite zu beugen. Die innere Schicht der Bauchmuskulatur bilden die Tranversus Abdomini, die Deinen Torso im Taillenbereich bis zur Wirbelsäule umschliessen. Diese Muskeln sind es übrigens, die Du anspannst, wenn Du den Bauch einziehst. Ausserdem benutzt Du diese Muskeln, wenn Du hustest, schneuzt oder sehr stark ausatmest. Transversus Abdomini und Obliques zusammen bilden ein starkes und dehnbares Muskelgeflecht, das sowohl stark aber auch flexibel genug ist, um die Zwerchfell-Atmung zu unterstützen. Die Transversus Abdomini ziehen den Bauch ein, der Rectus Abdomini spannt die Bauchdecke an. 

All diese Muskelgruppen kannst Du wunderbar mit Yoga in ihrer Funktion verbessern. Im Forrest Yoga widmen wir uns diesem Bereich mit ganz besonderen “Abdominals”, die darauf abzielen den Muskel nicht nur in seinen oberen Schichten sondern bis in die tiefsten Schichten zu aktivieren und das von Muskelansatz bis Muskelende. Dabei ist jede Abdominal-Übung so konzipiert, dass alle Muskelgruppen angesprochen werden: Rectus Abdomini, externe und interne Obliques und die Transversus Abdomini. Wenn Du schon Forrest Yoga praktiziert hast, weisst Du schon wie intensiv sich diese Übungen anfühlen während Du sie ausführst und wie sie Deine Bauchmuskulatur verändern. Wenn nicht solltest Du unbedingt eine Forrest Yoga – Klasse ausprobieren.

Die Transversus Abdomini ziehen den Bauch ein, die Rectus Abdomini spannen die Bauchdecke an.

Die Atmung und Deine Bauchmuskeln

Menschen, die mit ihrem Atem arbeiten – wie Sänger, Redner und Schauspieler – wissen bereits, dass der Atem mit dem Bauch zusammen hängt. Dein Zwerchfell liegt am Ende der Lungen, direkt über der Leber und Bauch. Spannt sich Dein Zwerchfell an (Einatmung), dehnt sich das Zwerchfell nach unten aus und drückt die Organe nach unten, so dass sich der Bauch leicht nach aussen wölbt. Falls Du überwiegend nur mit Hilfe Deiner Zwischenrippenmuskulatur atmest ohne das Zwerchfell auszunutzen, limitierst Du langfristig Deine Lungenkapazität. Lässt Du zudem Deine Bauchmuskeln beim Einatmen nicht entspannen, kann sich Dein Zwerchfell nicht vollständig nach unten ausdehnen: Die Lungen können sich nicht komplett füllen.

Interessant dabei ist auch, dass die tiefe Zwerchfell-Atmung nicht bedeutet den Bauch bei der Atmung stark nach aussen zu wölben oder stark einzuziehen. Eine natürliche Bauchmuskel-Aktivität aus leichter Entspannung (Einatmung) und leichter Anspannung (Ausatmung) reicht völlig aus.

Um Dir diese natürliche Atmung vor allem im Alltag bewusst zu machen, atme mehrmals am Tag bewusst komplett die Lungen leer. Wenn Du dann den Atem langsam wieder in die Lungen strömen lässt, wirst Du feststellen, dass sich der Bauch sanft nach aussen wölbt und sich die Lungen komplett füllen.

Die Wichtigkeit Deiner Körpermitte

Unser Körperschwerpunkt liegt direkt unterhalb des Bauchnabels. In manchen Yogastilen nennt man diesen Punkt auch das “Power House”. Auch wird im Yoga die Ansicht vertreten, dass in diesem Bereich die Quelle unserer Vitalität liegt. Da liegt es doch nahe, dass wir weit besser darauf konzentrieren sollten, wie sich dieser Bereich anfühlt anstatt uns darauf zu fokussieren, wie dieser Bereich aussieht.

Ana Forrest hat über die Jahre ihrer Lehrtätigkeit hinweg beobachtet, dass Menschen, die beginnen ihren Bauchraum wieder zu fühlen, sich mehr aus ihrem unteren Oberkörper heraus bewegen und über die Zeit wieder zu einem besseren Körpergefühl finden: Sie fühlen sich in in ihrem Körper wieder zuhause.

Falls Dich dieser logische Ansatz noch nicht überzeugt, gibt es auch noch einen wissenschaftlichen Ansatz: Du hast in Deinem Bauchbereich mehr Nervenzellen als in deinem peripheren Nervensystem (Hirnnerven, Spinalnerven). Diese Gesamtheit der Nervenzellen im Bauchbereich nennt man auch enterisches  Nervensystem aka Bauchhirn.

Mit all diesen Informationen wünsche ich Dir, dass Du das nächste Mal, wenn Du kritisch Deinen Bauch betrachtest, ein freundliches “Du bist ein wunderbarer und wichtiger Teil von mir” in diese Richtung sprichst und Dich für Dein großes Bauchgefühl bedankst.

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